"unbehagliche Literaturspässe"" Kesten, Hermann, Schriftsteller, Verlagslektor, Präsident des deutschen PEN-Zentrums (1900-1996). 4 Briefe m. U. "Hermann Kesten". Zus. 3 S. Folio und gr. 4to. Mit 1 Umschlag. New York, Rom und Gargnano 1965-1976. An den Journalisten, Verlagslektor und Schriftsteller Dr. Ernst Johann, Mitarbeiter der FAZ und Generalsekretär der Dt. Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt. "... soeben erhalte ich das Literaturblatt der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 3. April und lese mit Rührung und Vergnügen Ihre so überaus herzliche und rühmende Rezension meiner Briefsammlung 'Deutsche Literatur im Exil' und danke Ihnen aufs Schönste für alles Hübsche und Gute und insbesondere für Ihr aufrichtiges Mitgefühl mit den Schmerzen der deutschen Exilliteratur. Dieser 'Besuch im Fegefeuer' ist so empfehlend und freundlich, dass es sich in der Tat gelohnt hat, ein wenig darauf zu warten. - Gestern traf ich bei Kurt Grossmann, dem Autor einer Biographie Ossietzkys, einige deutsche Landsleute, Herrn Felix von Eckart, den Pressechef Adenauers, einen Berliner Psychiater Dr. Walter ... es ist merkwürdig, wie konstant gewisse deutsche Gespräche sind, fast sind es ja lauter Selbstgespräche. Und es ist kurios, wie konstant gewisse schematische Redensarten, oder um es schärfer auszudrücken, gewisse konventionelle Dummheiten sind. Wir sind es ja von der Literatur gewohnt. In der Politik wirken sie eine Spur verhängnisvoller ... Was mich immer wieder verdriesst - es ist ein professioneller Verdruss - ist die ungemeine Schwierigkeit, episch die absurde, die groteske Tollheit der Welt und der Menschen adaequat auszudrücken, und dabei vergnügt zu bleiben. Dabei denke ich nicht an die unbehaglichen Literaturspässe eines Beckett oder Genet. - Diese Woche hat der kürzlich karikierte und darauf von [Hans Helmut] Kirst verteidigte Verleger Kurt Desch meinen Roman Der Scharlatan ausgeliefert. Da versuchte ich, die Narren abzuschildern und tanzen zu lassen. Da es deutsche Narren sind, weiss man nie, ob man nicht zufällig an gewisse als Literaturkritiker verkleidete Narren gerät, aber man muss halt auf den lieben Gott vertrauen, was für alte Atheisten ein besonders leichtfertiges Geschäft ist ... [7.IV.1965]. Nachdem Johann ihm von einem Krankenhaus-Aufenthalt berichtet hatte, schreibt Kesten: "... Ich plane, bei der nächsten Akademietagung einen Antrag zu stellen, dass man an die Pforten aller Krankenhäuser die Inschrift einmeisseln müsse: Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um. Meine alte These lautete: Nur mit einigem Glück kommen wenigstens jene wieder gesund aus Krankenhäusern, die gesund hineinkamen. - Am Samstag kommt Dr. Lemp, der Handschriftenfachmann der städtischen Bibliotheken von München und zählt und notiert alle Briefe von Dr. Ernst Johann und andern, und darnach soll mein Geschäft mit der Stadt München sich abwickeln. Dr. Lemp will nur acht Tage in Rom bzw. in unserer Wohnung tags und nachts alles visitieren. Wir würden ihm lieber Rom zeigen, als alte Papiere, die meisten schon vergilbt und verwittert ..." [Rom 8.I.1976]. - Die anderen Briefe enthalten kurze Nachrichten, ebenfalls literarischen Inhalts. - Ein Brief mit Tinten-Abklatsch der Unterschrift, entstanden beim Falten des frisch beschriebenen Blattes.
"unbehagliche Literaturspässe"" Kesten, Hermann, Schriftsteller, Verlagslektor, Präsident des deutschen PEN-Zentrums (1900-1996). 4 Briefe m. U. "Hermann Kesten". Zus. 3 S. Folio und gr. 4to. Mit 1 Umschlag. New York, Rom und Gargnano 1965-1976. An den Journalisten, Verlagslektor und Schriftsteller Dr. Ernst Johann, Mitarbeiter der FAZ und Generalsekretär der Dt. Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt. "... soeben erhalte ich das Literaturblatt der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 3. April und lese mit Rührung und Vergnügen Ihre so überaus herzliche und rühmende Rezension meiner Briefsammlung 'Deutsche Literatur im Exil' und danke Ihnen aufs Schönste für alles Hübsche und Gute und insbesondere für Ihr aufrichtiges Mitgefühl mit den Schmerzen der deutschen Exilliteratur. Dieser 'Besuch im Fegefeuer' ist so empfehlend und freundlich, dass es sich in der Tat gelohnt hat, ein wenig darauf zu warten. - Gestern traf ich bei Kurt Grossmann, dem Autor einer Biographie Ossietzkys, einige deutsche Landsleute, Herrn Felix von Eckart, den Pressechef Adenauers, einen Berliner Psychiater Dr. Walter ... es ist merkwürdig, wie konstant gewisse deutsche Gespräche sind, fast sind es ja lauter Selbstgespräche. Und es ist kurios, wie konstant gewisse schematische Redensarten, oder um es schärfer auszudrücken, gewisse konventionelle Dummheiten sind. Wir sind es ja von der Literatur gewohnt. In der Politik wirken sie eine Spur verhängnisvoller ... Was mich immer wieder verdriesst - es ist ein professioneller Verdruss - ist die ungemeine Schwierigkeit, episch die absurde, die groteske Tollheit der Welt und der Menschen adaequat auszudrücken, und dabei vergnügt zu bleiben. Dabei denke ich nicht an die unbehaglichen Literaturspässe eines Beckett oder Genet. - Diese Woche hat der kürzlich karikierte und darauf von [Hans Helmut] Kirst verteidigte Verleger Kurt Desch meinen Roman Der Scharlatan ausgeliefert. Da versuchte ich, die Narren abzuschildern und tanzen zu lassen. Da es deutsche Narren sind, weiss man nie, ob man nicht zufällig an gewisse als Literaturkritiker verkleidete Narren gerät, aber man muss halt auf den lieben Gott vertrauen, was für alte Atheisten ein besonders leichtfertiges Geschäft ist ... [7.IV.1965]. Nachdem Johann ihm von einem Krankenhaus-Aufenthalt berichtet hatte, schreibt Kesten: "... Ich plane, bei der nächsten Akademietagung einen Antrag zu stellen, dass man an die Pforten aller Krankenhäuser die Inschrift einmeisseln müsse: Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um. Meine alte These lautete: Nur mit einigem Glück kommen wenigstens jene wieder gesund aus Krankenhäusern, die gesund hineinkamen. - Am Samstag kommt Dr. Lemp, der Handschriftenfachmann der städtischen Bibliotheken von München und zählt und notiert alle Briefe von Dr. Ernst Johann und andern, und darnach soll mein Geschäft mit der Stadt München sich abwickeln. Dr. Lemp will nur acht Tage in Rom bzw. in unserer Wohnung tags und nachts alles visitieren. Wir würden ihm lieber Rom zeigen, als alte Papiere, die meisten schon vergilbt und verwittert ..." [Rom 8.I.1976]. - Die anderen Briefe enthalten kurze Nachrichten, ebenfalls literarischen Inhalts. - Ein Brief mit Tinten-Abklatsch der Unterschrift, entstanden beim Falten des frisch beschriebenen Blattes.
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