Jacob Philipp Hackert Blick von der Solfatara durch Weinranken an Bäumen auf Bajae, den Golf von Pozzuoli, die Inseln Procida und Ischia, im Vordergrund rastendes Landvolk Öl auf Leinwand (doubliert). 65 x 97 cm. Signiert, datiert und bezeichnet unten links: peinte par/ Philipp Hackert / 1793 / Vue d´Ischia, Procida, Baia d´Pozzuole / prise au-dessus de la Solfatara.Goethe kannte Philipp Hackert gut, schätzte sein Werk, aber überschätzte weder ihn noch es. Nach Schillers Tod und dem Untergang der Welt, die ihn zu dem, der er nun war, gemacht hatte, widmete er sich mehr und mehr dem Projekt, mich in mir selbst historisch zu bespiegeln. Da fiel ihm, 1807, die Aufgabe zu, Hackerts Biographie zu verfassen. Er selbst hatte den Maler ermuntert, Autobiographisches aufzuzeichnen. Plötzlich lag die Nachricht von seinem Tod, verbunden mit einem ganzen Packen handschriftlicher Notate des Meisters der Landschaftsmalerei, auf dem Schreibpult Goethes am Frauenplan. Er machte sich, widrigen Umständen zum Trotz, sogleich an die Arbeit. Und es war reichlich Arbeit. Denn schreibend war Hackert ein wahrer Dilettant - Dilettant wie Goethe als Zeichner. Aber wie reizvoll die poetische Konstellation: der Meister autobiographischen Schreibens übt dies Metier am Stoff des Malers, der ihn einst darüber belehrt hatte, dass er als Zeichner immer ein Dilettant bleiben werde. In Goethe und Hackert kreuzen sich spiegelverkehrt Dilettantismus und Meisterschaft: der Autor zeichnet, der Maler schreibt - und zwar im je umgekehrten Verhältnis zu seiner Meisterschaft - als Dilettant; man könnte von zwei komplementär wahlverwandten Künstlern sprechen. Die dem Publikum und der Wissenschaft erst vor wenigen Jahren bekanntgewordene Landschaft von 1793 - prise au-dessus de la Solfatara - kannte Goethe nicht, als er über Hackert schrieb. Sie hätte ihn wahrlich entzückt, weil alles, was er an Hackert schätzte, unmittelbar in den Blick gerückt ist. An der scharfen Kante, dem Abbruch des Kraters, hat Hackert ein Portal errichtet aus Baum und Rebe, durch das die wesentlichen Elemente des Mittelgrundes und der Ferne - als sei die Postkarte bereits erfunden gewesen - ins Zentrum der Betrachtung rücken. Was wir auf dem zentralen Ausschnitt, beschnitten vom Feston des Weins und den Stämmen der Eichen, eben auf der von Hackert antizipierten Postkarte, sehen, ist die genaue Schilderung einer wirklichen Aussicht. Goethe unterschied in der Gattung strikt zwischen dem Aussichtsgemälde - Hackerts Metier - und der höhern, dichterischen Landschaftsmalerei. Deren klassisches Ideal ist für Goethe durch und in Claude Lorrain unüberbietbar erreicht, weil dieser sich landschaftlicher Formen mit Freiheit bedient, um sein Gedicht darzustellen … und ein schönes Ganzes zu erzielen. Das aber war, wie Goethe wusste, Hackerts Wirkungsgebiet nicht. Er war, eingespannt zwischen die Anforderungen eines königlichen Hofes und die Erwartungen eines europäischen Nachfragemarktes, eine von den glücklichen Naturen, die bei einer großen Selbstbeherrschung Jedermann dienen, und Niemand gehorchen mögen. Zum Dienst gehört der Fleiß, den Goethe, als sei er eine Tugend für sich, unentwegt an Hackert rühmt, zum Niemand-gehorchen-mögen die große Strenge und Ordnung, mit denen er seine Kunst so wie seine Geschäfte betrieb. Fleiß, Strenge und Ordnung gehören für Goethe zu den unverzichtbaren Voraussetzungen auch seiner eigenen künstlerischen Existenz; man möchte wohl seine ganze Weimarer Lebensform für eine Selbstverurteilung zu Fleiß, Strenge und Ordnung halten. Und wir? Erwartungsgestresst bis zum Zerreißen zwischen Gen-Scheren im Vorfeld unserer Existenz und Schwarzen Löchern jenseits aller Horizonte, werden wir von Hackerts Aussicht A. D. 1793 über den Golf von Pozzuoli hinweg nur dies eine Detail niemals vergessen: Das Feston. Hackert hat das Motiv wiederholt genutzt, erstmals wohl 1791, als er für Ferdinand IV. dessen Jagdschloss Carditello ausstattete. Auf Erntebildern, die den arkadischen Rahmen für die Da
Jacob Philipp Hackert Blick von der Solfatara durch Weinranken an Bäumen auf Bajae, den Golf von Pozzuoli, die Inseln Procida und Ischia, im Vordergrund rastendes Landvolk Öl auf Leinwand (doubliert). 65 x 97 cm. Signiert, datiert und bezeichnet unten links: peinte par/ Philipp Hackert / 1793 / Vue d´Ischia, Procida, Baia d´Pozzuole / prise au-dessus de la Solfatara.Goethe kannte Philipp Hackert gut, schätzte sein Werk, aber überschätzte weder ihn noch es. Nach Schillers Tod und dem Untergang der Welt, die ihn zu dem, der er nun war, gemacht hatte, widmete er sich mehr und mehr dem Projekt, mich in mir selbst historisch zu bespiegeln. Da fiel ihm, 1807, die Aufgabe zu, Hackerts Biographie zu verfassen. Er selbst hatte den Maler ermuntert, Autobiographisches aufzuzeichnen. Plötzlich lag die Nachricht von seinem Tod, verbunden mit einem ganzen Packen handschriftlicher Notate des Meisters der Landschaftsmalerei, auf dem Schreibpult Goethes am Frauenplan. Er machte sich, widrigen Umständen zum Trotz, sogleich an die Arbeit. Und es war reichlich Arbeit. Denn schreibend war Hackert ein wahrer Dilettant - Dilettant wie Goethe als Zeichner. Aber wie reizvoll die poetische Konstellation: der Meister autobiographischen Schreibens übt dies Metier am Stoff des Malers, der ihn einst darüber belehrt hatte, dass er als Zeichner immer ein Dilettant bleiben werde. In Goethe und Hackert kreuzen sich spiegelverkehrt Dilettantismus und Meisterschaft: der Autor zeichnet, der Maler schreibt - und zwar im je umgekehrten Verhältnis zu seiner Meisterschaft - als Dilettant; man könnte von zwei komplementär wahlverwandten Künstlern sprechen. Die dem Publikum und der Wissenschaft erst vor wenigen Jahren bekanntgewordene Landschaft von 1793 - prise au-dessus de la Solfatara - kannte Goethe nicht, als er über Hackert schrieb. Sie hätte ihn wahrlich entzückt, weil alles, was er an Hackert schätzte, unmittelbar in den Blick gerückt ist. An der scharfen Kante, dem Abbruch des Kraters, hat Hackert ein Portal errichtet aus Baum und Rebe, durch das die wesentlichen Elemente des Mittelgrundes und der Ferne - als sei die Postkarte bereits erfunden gewesen - ins Zentrum der Betrachtung rücken. Was wir auf dem zentralen Ausschnitt, beschnitten vom Feston des Weins und den Stämmen der Eichen, eben auf der von Hackert antizipierten Postkarte, sehen, ist die genaue Schilderung einer wirklichen Aussicht. Goethe unterschied in der Gattung strikt zwischen dem Aussichtsgemälde - Hackerts Metier - und der höhern, dichterischen Landschaftsmalerei. Deren klassisches Ideal ist für Goethe durch und in Claude Lorrain unüberbietbar erreicht, weil dieser sich landschaftlicher Formen mit Freiheit bedient, um sein Gedicht darzustellen … und ein schönes Ganzes zu erzielen. Das aber war, wie Goethe wusste, Hackerts Wirkungsgebiet nicht. Er war, eingespannt zwischen die Anforderungen eines königlichen Hofes und die Erwartungen eines europäischen Nachfragemarktes, eine von den glücklichen Naturen, die bei einer großen Selbstbeherrschung Jedermann dienen, und Niemand gehorchen mögen. Zum Dienst gehört der Fleiß, den Goethe, als sei er eine Tugend für sich, unentwegt an Hackert rühmt, zum Niemand-gehorchen-mögen die große Strenge und Ordnung, mit denen er seine Kunst so wie seine Geschäfte betrieb. Fleiß, Strenge und Ordnung gehören für Goethe zu den unverzichtbaren Voraussetzungen auch seiner eigenen künstlerischen Existenz; man möchte wohl seine ganze Weimarer Lebensform für eine Selbstverurteilung zu Fleiß, Strenge und Ordnung halten. Und wir? Erwartungsgestresst bis zum Zerreißen zwischen Gen-Scheren im Vorfeld unserer Existenz und Schwarzen Löchern jenseits aller Horizonte, werden wir von Hackerts Aussicht A. D. 1793 über den Golf von Pozzuoli hinweg nur dies eine Detail niemals vergessen: Das Feston. Hackert hat das Motiv wiederholt genutzt, erstmals wohl 1791, als er für Ferdinand IV. dessen Jagdschloss Carditello ausstattete. Auf Erntebildern, die den arkadischen Rahmen für die Da
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