Gustav Klimt (Wien 1862 - 1918 Wien) „Brustbild mit großem Dekolleté von vorne (Bildnisstudie einer "Engländerin")“ 1904/05 Bleistift auf Papier; gerahmt 54 × 34,5 cm Nachlass-Stempel links unten Provenienz aus dem Nachlass des Künstlers; Privatbesitz, Wien Ausstellung 2018 Wien, Leopold Museum, Wien um 1900. Klimt - Moser - Gerstl - Kokoschka, 18.01.-10.06. Literatur Alice Strobl, Gustav Klimt Die Zeichnungen 1904-1912, Bd. II, Welz 1982, Nr. 1205a, Abb. S. 21; Schätzpreis: € 35.000 - 70.000 Gebot abgeben Kaufauftrag Frage an den Experten Teilen mit Freunden Die vorliegende Arbeit gehört zur umfangreichen Kategorie der weiblichen Brust- und Halbbildnisse, denen Klimt sich als Zeichner ab etwa 1895 bis zu seinem Lebensende durchgehend gewidmet hat. Diese autonomen, detailliert gestalteten Blätter stehen den rasch und spontan ausgeführten Studien für seine modernen Porträtgemälde konträr gegenüber. Sie hängen nur selten unmittelbar mit seinen Ölbildern zusammen und weisen einen bildhaften, in sich geschlossenen Charakter auf. Die dargestellten Modelle sind bis auf wenige Ausnahmen anonym: Im Vordergrund dieser Bildniszeichnungen stehen nicht die individuellen, sondern die idealtypischen Eigenschaften, verbunden mit einem breiten Spektrum von Stimmungsnuancen, die sich abwechselnd als mysteriös, introvertiert, mondän, verführerisch oder seelisch entrückt bezeichnen lassen. Dass es sich beim hier dargestellten Modell um eine von Klimt sehr bewunderte, nicht näher bekannte „Engländerin“ handeln soll, hat Alice Strobl von Erich Lederer erfahren, der diese Information in seinen jungen Jahren unmittelbar vom Künstler bezogen hat. Erich Lederer war der Sohn des eng mit Klimt verbundenen Mäzenaten-Ehepaars August und Serena Lederer (Vgl. Alice Strobl, Gustav Klimt Die Zeichnungen, Bd. II, Salzburg 1982, S. 15). Von dieser "Engländerin" hat Klimt nach heutigem Stand etwa zwanzig Zeichnungen angefertigt - innerhalb der autonomen Brust- und Halbbildnisse eine ungewöhnlich hohe Anzahl (Vgl. Strobl, Bd. II, 1982, Nr. 1185,1185a sowie 1197-1208; Bd. IV, 1989, Nr. 3538- 3539a). Was ihn an diesem Modell offensichtlich fasziniert hat, waren die delikaten, porzellanähnlichen Gesichtszüge, die er von mehreren Seiten festhielt. Immer wieder betonte er die kleine Stupsnase, die fein ziselierte Augenpartie und den schwungvoll artikulierten Mund. Dabei ließ er die junge Frau entweder mit einem Pelzumhang oder – wie im vorliegenden Fall – mit unbedeckten Schultern posieren. In diesem Blatt wählte Klimt die strenge Frontalposition, wobei die magische Anziehungskraft des zur Seite geneigten Gesichts mit der ausladenden Frisur auf raffinierte lineare Nuancen zurückzuführen ist. Von lebhafter Wirkung ist das Wechselspiel zwischen den ungleich definierten Augen - das eine mit klar umrissenem Augenlid und scharfer Umrandung von Iris und Pupille, das andere etwas abgemildert, dafür mit kräftig akzentuiertem Oberrand. Ein geheimnisvolles Lächeln vermitteln die leicht hochgezogenen Mundwinkel. Von der luftig angedeuteten Bekleidung heben sich die Konturen der Schulterpartie prägnant ab. Kurz zuvor war Klimt von der schwarzen Kreide auf den Bleistift übergewechselt, dessen metallisch scharfe Qualitäten in den Zeichnungen der "Engländerin" kongenial zur Geltung gelangen. (Marian Bisanz-Prakken)
Gustav Klimt (Wien 1862 - 1918 Wien) „Brustbild mit großem Dekolleté von vorne (Bildnisstudie einer "Engländerin")“ 1904/05 Bleistift auf Papier; gerahmt 54 × 34,5 cm Nachlass-Stempel links unten Provenienz aus dem Nachlass des Künstlers; Privatbesitz, Wien Ausstellung 2018 Wien, Leopold Museum, Wien um 1900. Klimt - Moser - Gerstl - Kokoschka, 18.01.-10.06. Literatur Alice Strobl, Gustav Klimt Die Zeichnungen 1904-1912, Bd. II, Welz 1982, Nr. 1205a, Abb. S. 21; Schätzpreis: € 35.000 - 70.000 Gebot abgeben Kaufauftrag Frage an den Experten Teilen mit Freunden Die vorliegende Arbeit gehört zur umfangreichen Kategorie der weiblichen Brust- und Halbbildnisse, denen Klimt sich als Zeichner ab etwa 1895 bis zu seinem Lebensende durchgehend gewidmet hat. Diese autonomen, detailliert gestalteten Blätter stehen den rasch und spontan ausgeführten Studien für seine modernen Porträtgemälde konträr gegenüber. Sie hängen nur selten unmittelbar mit seinen Ölbildern zusammen und weisen einen bildhaften, in sich geschlossenen Charakter auf. Die dargestellten Modelle sind bis auf wenige Ausnahmen anonym: Im Vordergrund dieser Bildniszeichnungen stehen nicht die individuellen, sondern die idealtypischen Eigenschaften, verbunden mit einem breiten Spektrum von Stimmungsnuancen, die sich abwechselnd als mysteriös, introvertiert, mondän, verführerisch oder seelisch entrückt bezeichnen lassen. Dass es sich beim hier dargestellten Modell um eine von Klimt sehr bewunderte, nicht näher bekannte „Engländerin“ handeln soll, hat Alice Strobl von Erich Lederer erfahren, der diese Information in seinen jungen Jahren unmittelbar vom Künstler bezogen hat. Erich Lederer war der Sohn des eng mit Klimt verbundenen Mäzenaten-Ehepaars August und Serena Lederer (Vgl. Alice Strobl, Gustav Klimt Die Zeichnungen, Bd. II, Salzburg 1982, S. 15). Von dieser "Engländerin" hat Klimt nach heutigem Stand etwa zwanzig Zeichnungen angefertigt - innerhalb der autonomen Brust- und Halbbildnisse eine ungewöhnlich hohe Anzahl (Vgl. Strobl, Bd. II, 1982, Nr. 1185,1185a sowie 1197-1208; Bd. IV, 1989, Nr. 3538- 3539a). Was ihn an diesem Modell offensichtlich fasziniert hat, waren die delikaten, porzellanähnlichen Gesichtszüge, die er von mehreren Seiten festhielt. Immer wieder betonte er die kleine Stupsnase, die fein ziselierte Augenpartie und den schwungvoll artikulierten Mund. Dabei ließ er die junge Frau entweder mit einem Pelzumhang oder – wie im vorliegenden Fall – mit unbedeckten Schultern posieren. In diesem Blatt wählte Klimt die strenge Frontalposition, wobei die magische Anziehungskraft des zur Seite geneigten Gesichts mit der ausladenden Frisur auf raffinierte lineare Nuancen zurückzuführen ist. Von lebhafter Wirkung ist das Wechselspiel zwischen den ungleich definierten Augen - das eine mit klar umrissenem Augenlid und scharfer Umrandung von Iris und Pupille, das andere etwas abgemildert, dafür mit kräftig akzentuiertem Oberrand. Ein geheimnisvolles Lächeln vermitteln die leicht hochgezogenen Mundwinkel. Von der luftig angedeuteten Bekleidung heben sich die Konturen der Schulterpartie prägnant ab. Kurz zuvor war Klimt von der schwarzen Kreide auf den Bleistift übergewechselt, dessen metallisch scharfe Qualitäten in den Zeichnungen der "Engländerin" kongenial zur Geltung gelangen. (Marian Bisanz-Prakken)
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